Vor mehr als 20 Jahren zierte dieses martialische, riesige Wandgemälde den Empfang des Shiva-Hospitals in Gaza
English translation following this report
Achtung: aktualisierte Fassung. Zahl der Getöteten Palästinenser und Sanktionen
Bilder aus dem Gazastreifen aus der 1. und 2. Intifada finden Sie hier
Die ausufernde Gewalt der israelischen Armee gegen die Palästinenser im Gazastreifen wird von den meisten deutschen Politikern kritisiert. Doch ein Stopp von Waffenlieferungen oder gar Wirtschaftssanktionen gegen Israel, wie andere EU-Länder sie fordern, kommt für sie trotz der schrecklichen Konsequenzen ihres Zauderns nicht in Frage. Der Grund: Die furchtbare Vergangenheit der Schoah und das von Angela Merkel (2008) in diesem Zusammenhang zur “Staatsräson” erklärte Versprechen, Israels Existenzrecht zu schützen. Doch diese Politik macht Deutschland im Falle des Gazakriegs potenziell zum “Mittäter” Israels, dem von der großen Mehrheit der Rechtsexperten weltweit schwere Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte vorgeworfen werden.
Die bisherige Kritik allein wird Israel nicht davon abhalten, die von der Regierung Netanjahu angestrebte Vertreibung der Palästinenser und die völlige Zerstörung jeder bewohnbaren Siedlung im Gazastreifen weiter voranzutreiben. Und dies ohne Rücksicht auf Menschenleben. Das musste schon Ex-Außenministerin Annalena Baerbock erfahren, die nach dem Massaker von Hamas-Extremisten an 1300 Israelis am 7. Oktober 2023 etwa ein halbes Dutzend Mal mit erhobenem Zeigefinger in das längst nicht mehr Gelobte Land reiste.
2003: Ein Junge auf den Trümmern seines Elternhauses. Es wurde nach einem Terroranschlag in Israel zerstört
Deutschlands zaghafte Einwände gegenüber Israel und all seinen umstrittenen politischen und militärischen Manövern gegen die Palästinenser wurde bisher von der ultra-rechten Regierung in Jerusalem schlicht ignoriert. Dabei sind die Ausmaße des israelischen Rachefeldzugs ungeheuerlich: Bis Ende Mai 2025 wurden im Gaza-Krieg nach Angaben des (von der Hamas geleiteten) palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 55.523 Palästinenser getötet, darunter 15.613 Kinder. Die Zahl der Verletzten liegt bei über 114000. Eine im medizinischen Fachjournal The Lancet veröffentlichte Studie legt nahe, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer aufgrund zerstörter Gesundheitseinrichtungen und unvollständiger Erfassung sogar noch höher sein könnte. Auf israelischer Seite wurden seit Beginn des Krieges am 7. Oktober 2023 etwa 650 Soldaten getötet. Rund 3.200 israelische Soldaten und Reservisten wurden verletzt. Diese Zahlen verdeutlichen die verheerenden Auswirkungen des Konflikts auf beide Seiten, insbesondere jedoch auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Die Zerstörung der Häuser von Hamas- oder Dschihad-Extremisten gehört zu den Mitteln der IDF im Kampf gegen den Terrorismus
Dass die vorliegenden Fakten auch an deutschen Spitzenpolitikern nicht spurlos vorübergingen, zeigten die Äußerungen von Kanzler Merz und seinem Außenminister Johann Wadephul am Wochenende (24./25. Mai). Merz sagte auf der Veranstaltung “Republica”: “Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen (…) “Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht: Ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel.”
Außenminister Johann Wadephul meinte: “Niemand sagt, dass die jetzige Situation akzeptabel ist und länger hingenommen werden könnte. Auch Deutschland nicht.” Eine Vertreibung aus dem Gazastreifen und eine Politik des Aushungerns dürfe es nicht geben. Gleichzeitig aber bleibe Israels Sicherheit deutsche Staatsräson. »Dazu gehört selbstverständlich für die Zukunft auch die Bereitschaft, Waffen zu liefern.« Wadephul nannte dies »ein großes politisches und moralisches Dilemma für uns«. Schärfer formulierten SPD-Politiker, die in einer Koalition mit Merz stehen. So forderte der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner: »Die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung und der Bruch des Völkerrechts durch die Regierung Netanyahu müssen sofort beendet und dürfen nicht auch noch mit deutschen Waffen verlängert werden.«
Andere Staaten haben sich nicht auf solcherlei folgenlose rein verbale Kritik beschränkt. Länder wie Großbritannien, Irland, Australien und Kanada beschlossen inzwischen Sanktionen gegen Israel. die Berliner Regierung ist dagegen – wenn es um Das Leid im Gazastreifen geht – verstummt.
Übrigens schloss sich inzwischen auch der konservative ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert (Likud) der Reihe der Mahner und Kritiker der Netanjahu-Regierung an. Auch er verurteilte die auf Vertreibung und Zerstörung zielenden Armee-Einsätze gegen die Gaza-Bevölkerung aufs Schärfste.
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Hintergrund:
Die Frage, ob sich ein Land schuldig macht, wenn es ein anderes Land unterstützt, das gegen das Völkerrecht oder die Menschenrechte verstößt, ist komplex – sowohl rechtlich als auch politisch. Nach dem Völkerrecht, insbesondere nach Artikel 16 der „Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts“ der Vereinten Nationen (2001), gilt:
Ein Staat begeht selbst eine völkerrechtswidrige Handlung, wenn er einem anderen Staat bewusst Hilfe oder Unterstützung leistet bei der Begehung eines völkerrechtswidrigen Akts und Kenntnis davon hat, dass dieser Akt rechtswidrig ist.
Das bedeutet, ein Land macht sich völkerrechtlich mitverantwortlich, wenn es einem anderen Staat wissentlich und zielgerichtet bei Völkerrechtsverstößen hilft (z. B. Waffenlieferungen bei bekanntem Einsatz für Kriegsverbrechen).
Auch im Bereich der Menschenrechte können Staaten in die Verantwortung genommen werden – insbesondere durch Internationale Gerichte (z. B. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte), den UN-Menschenrechtsrat sowie Strafgerichtshöfe, wenn es um individuelle Verantwortlichkeit (z. B. Politiker, Militärs) geht. So wurde etwa Deutschland in der Vergangenheit kritisiert, weil es Waffen an Länder geliefert hat, die Menschenrechte verletzen (z. B. Saudi-Arabien im Jemen-Konflikt). Die juristische Schuldfrage ist hier umstritten – politisch und moralisch aber hochrelevant.
Ein Land kann sich aber auch moralisch und politisch schuldig machen, ohne dass es zwingend juristisch haftbar ist. In der internationalen Diplomatie spricht man dann von der Verletzung internationaler Normen, von Doppelmoral oder Heuchelei sowie der Gefährdung der regelbasierten internationalen Ordnung.
Und das Fazit: Ein Staat kann sich nach Völkerrecht mitschuldig machen, wenn er wissentlich und aktiv einen anderen Staat bei rechtswidrigem Handeln unterstützt. “Ob daraus juristische Konsequenzen folgen, hängt von konkreten Umständen und dem politischen Willen der internationalen Gemeinschaft ab.
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Mich selbst haben die Ereignisse der vergangenen Monate davon überzeugt, dass nur ein Boykott israelischer Waren und eine harte Haltung gegenüber dieser amtierenden Regierung die völlige Zerstörung jeder Lebensgrundlage im Gazastreifen und die erneute Vertreibung der dortigen arabischen Bevölkerung verhindern kann. Schon ist abzusehen, dass Benjamin Netanjahu und seine politischen Front- und Hintermänner dabei sind, auch einen Konflikt im palästinensischen Westjordanland zu entflammen, um dort ein ähnliches Ergebnis zu erzielen. Dabei sollten sich Sanktionen, die absolut NICHTS mit Antisemitismus zu tun haben, an den Prinzipien der Vereinigung BDS (Boycott, Desinvest, Sanction) orientieren, die wiederum im Jahr 2019 vom Bundestag (fälschlich?) als antisemitisch eingestuft worden ist. Gleichzeitig muss deutlich werden, dass es sich hierbei NUR um Aktionen gegen die amtierende Regierung in Jerusalem handelt. Israel verstößt seit Beginn der Besatzung Jahr für Jahr gegen das Völkerrecht und in seinem Verhalten gegen die Menschenrechte. Nach dem Menschheitsverbrechen der Hamas vom 7. Oktober 2023 hat Israel jeden Maßstab bei der deren Bekämpfung verloren, und die Absichten hinter der Zerstörungswut scheinen klar erkennbar. In diesem Zusammenhang darf auch eine Bundesregierung nicht mehr schweigen, und sie darf nichts unternehmen, das im höchsten Maße rechtswidrige und unmoralische Verhalten dieser israelischen Regierung durch Waffenlieferungen und durch Handel zu unterstützen.
English translation:
More than 20 years ago, this huge, martial mural adorned the reception area of the Shiva Hospital in Gaza.
Here you’ll find a number of pictures from 1st and 2nd Intifadas in the Gaza-Strip
The Israeli army’s excessive violence against Palestinians in the Gaza Strip is now criticised by most German politicians. However, despite the already visible consequences of their procrastination, they do not consider stopping arms deliveries or even imposing economic sanctions on Israel, as demanded by other EU countries. The reason: the terrible past of the Shoah and the promise, declared by Angela Merkel (2008) to be ‘state policy,’ to protect Israel’s right to exist. But this policy as a consequence of the Holocaust makes Germany a potential ‘accomplice’ of Israel in the Gaza war, which is now accused by the vast majority of legal experts worldwide of serious violations of international law and human rights.
The criticism expressed so far will not prevent Israel from continuing to pursue the expulsion of the Palestinians and the complete destruction of every habitable settlement in the Gaza Strip, as sought by important parts of Netanyahu’s government. Without regard for human life. Former German Foreign Minister Annalena Baerbock learned this the hard way when, after the massacre of 1,300 Israelis by Hamas extremists on 7 October 2023, she travelled to the long-since unpromised land about half a dozen times with her finger raised in condemnation.
2003: A boy stands on the ruins of his parents’ home. It was destroyed after a terrorist attack in Israel.
Germany’s timid objections to the State of Israel and all its controversial political and military manoeuvres against the Palestinians have so far been simply ignored by the ultra-right-wing government in Jerusalem. The scale of Israel’s revenge campaign is monstrous: according to the Palestinian Ministry of Health (led by Hamas), at least 50,523 Palestinians were killed in the Gaza War by the end of May 2025, including 15,613 children. The number of injured is over 114,000. A study published in the medical journal The Lancet suggests that the actual death toll could be even higher due to destroyed health facilities and incomplete records. On the Israeli side, approximately 650 soldiers have been killed since the war began on 7 October 2023. Around 3,200 Israeli soldiers and reservists have been injured. These figures illustrate the devastating impact of the conflict on both sides, but especially on the civilian population in the Gaza Strip.
The destruction of the homes of Hamas or Jihad extremists is one of the IDF’s methods in the fight against terrorism.
The fact that the available facts did not leave German politicians untouched was demonstrated by the statements made by Chancellor Merz and his Foreign Minister Johann Wadephul at the weekend (24/25 May). Merz said at the ‘Republica’ event: ‘Inflicting such suffering on the civilian population, as has been increasingly the case in recent days, can no longer be justified as a fight against Hamas terrorism (…) ’What the Israeli army is doing now in the Gaza Strip: Frankly, I no longer understand what the goal is.”
Foreign Minister Johann Wadephul said: ‘No one is saying that the current situation is acceptable and can be tolerated any longer. Not even Germany.’ There must be no expulsion from the Gaza Strip and no policy of starvation. At the same time, however, Israel’s security remains Germany’s raison d’état. ‘This naturally includes a willingness to supply weapons in the future.’ Wadephul called this ‘a major political and moral dilemma for us.’ SPD politicians who are in coalition with Merz were more sharply worded. SPD MP Ralf Stegner demanded: ‘The humanitarian catastrophe for the Palestinian civilian population and the violation of international law by the Netanyahu government must be ended immediately and must not be prolonged with German weapons.’
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According to ChatGPT, the question of whether a country is guilty when it supports another country that violates international law or human rights is complex – both legally and politically. Under international law, in particular Article 16 of the United Nations’ ‘Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts’ (2001), the following applies:
A state commits an act contrary to international law when it knowingly provides assistance or support to another state in the commission of an act contrary to international law and has knowledge that the act is unlawful.
This means that a country is jointly responsible under international law if it knowingly and deliberately assists another state in violating international law (e.g. supplying weapons when they are known to be used for war crimes).
States can also be held accountable in the field of human rights – in particular by international courts (e.g. the European Court of Human Rights), the UN Human Rights Council and criminal courts when it comes to individual responsibility (e.g. politicians, military personnel). For example, Germany has been criticised in the past for supplying weapons to countries that violate human rights (e.g. Saudi Arabia in the Yemen conflict). The legal question of guilt is controversial here, but politically and morally highly relevant.
However, a country can also be morally and politically guilty without necessarily being legally liable. In international diplomacy, this is referred to as a violation of international norms, double standards or hypocrisy, and as endangering the rules-based international order.
And the conclusion: under international law, a state can be complicit if it knowingly and actively supports another state in unlawful actions. “Whether this has legal consequences depends on the specific circumstances and the political will of the international community.
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The events of recent months have convinced me that only a boycott of Israeli goods and a tough stance towards the current government can prevent the complete destruction of all livelihoods in the Gaza Strip and the renewed expulsion of the population there. It is already clear that Benjamin Netanyahu and his political front men and backers are also seeking to ignite a conflict in the Palestinian West Bank in order to achieve a similar result there. Sanctions, which have absolutely NOTHING to do with anti-Semitism, should be based on the principles of the BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) movement, which was wrongly classified as anti-Semitic by the German Bundestag in 2019. At the same time, it must be made clear that these are ONLY actions against the government in Jerusalem. Since the beginning of the occupation, Israel has violated international law year after year and committed human rights abuses. After the crimes against humanity committed by Hamas on 7 October 2023, Israel has lost all sense of proportion in its fight against Hamas, and the intentions behind its destructive rampage seem clear. In this context, the German government must no longer remain silent, and it must not take any action that supports the highly illegal and immoral behaviour of the Israeli government through arms deliveries and trade.