Die Freundinnen Käthe, Henny, Ida, Lina und Louise
English translation at the end of this report
Monatelang standen die Romane der „Jahrhundert-Trilogie“ von Carmen Rock auf der Bestsellerliste des „SPIEGEL“. Der zweite Band „Zeiten des Aufbruchs“ schaffte es sogar auf Platz Eins. Die Bücher, in denen die Autorin die Lebensgeschichte von vier Frauen aus Hamburg über fast ein Jahrhundert hinweg erzählt, fesselten Leserinnen und Leser vor allem durch die Verknüpfung historischer Ereignisse mit den persönlichen Schicksalen der Frauen und deren Familien.
Jetzt findet der Stoff erstmals den Weg auf die Bühne. Das Hamburger Ernst Deutsch-Theater brachte am 1. Mai 2025 die von Gil Mehmert dramatisierte und inszenierte Fassung der „Töchter einer neuen Zeit“ in Deutschlands größtem Privattheater zur Uraufführung. Und er begeisterte damit nicht nur das Premierenpublikum, sondern auch die Kritik. Was die zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler sowie die begleitenden vier Musiker während der zweieinhalb-stündigen Aufführung hier boten, empfanden Zuschauer nicht zu Unrecht als „ganz großes Kino“.
Schauspielerinnen tragen zu Beginn des Stückes die Kulissen auf die Bühne
Es ist ein Feuerwerk an Ideen und dazu eine bemerkenswerte Leistung des gesamten Ensembles, die die Zuschauer in Atem halten. Dazu kommt ein sparsames, zugleich aber mobiles Bühnenbild mit wenigen Kulissen, die von den Schauspielern für die mehr als Hundert verschiedenen Szenen zum jeweiligen Einsatzort getragen oder geschoben werden. Szenenwechsel im Minutentakt, aber auch Kostüm und Maskenwechsel vermitteln dem Publikum den Eindruck, dass hier ein Film „live“ auf der Bühne vor ihnen abläuft. Schauspieler werden als Kleiderständer, Kofferablage, als Vorhangschiene oder zum Halten von Spülbecken im Krankenhaus eingesetzt. Und all dies einstudiert in nur zehn Probetagen auf der Bühne.
Ida und Käthe (r) treffen sich
Der Roman und das Stück
Hamburg im Jahr 1919 – Die Krankenschwester Henny, ihre Freundin Käthe, die Ärztin Ida und die Lehrerin Lina stehen nach dem Ende des ersten Weltkriegs stellvertretend für eine neue, mutige Frauengeneration. Sie erleben den Beginn einer neuen Zeit mit der Weimarer Republik, die Machtergreifung der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg – mit seiner allgegenwärtigen Bedrohung und Zerstörung und den persönlichen Verlusten. Die Trilogie verbindet die historischen Ereignisse geschickt mit den persönlichen Schicksalen aus weiblicher Sicht, was auch ihren Erfolg bei weiblichen Leserinnen erklärt.
Die SA stürmt Treffen von Nazi-Gegnern, die fliehen
Bühnenversion mit Verwirrungen
Die Bühnenfassung des ersten Romans der Trilogie fasziniert und bannt die Zuschauer, führt gelegentlich aber auch zu Verwirrungen. Gil Mehmerts kunstvoll verwobene Abfolge mehrerer Hundert Szenen in unglaublich hohem Tempo und manchmal (gefühlten) nur wenige Sekunden kurzer Dauer, dazu auch mit zeitlichen Rückblenden, können bei Unkenntnis des Romans zur Verwirrung und (wie bei mir!) zum gelegentlichen Verlust der Orientierung führen und Atemlosigkeit. Am Ende spielt das aber keine Rolle mehr, denn Mehmerts Darstellung der „Töchter einer neuen Zeit“ lässt den Adrenalinspiegel ansteigen, wie befragte Zuschauer nach dem Großen, lang-anhaltenden Schlussapplaus bestätigten. Ein Stück, das es verdiente, auch zwei Mal gesehen zu werden.
Achtung: Einzelheiten zur Besetzung des Stücks auf der Seite des Ernst Deutsch Theaters
Vorstellungen bis zum 1. Juni 2025
English translation
The friends Käthe, Henny, Ida, Lina and Louise
Carmen Rock’s ‘Century Trilogy’ novels were on SPIEGEL’s bestseller list for months. The second volume, ‘Zeiten des Aufbruchs’ (Times of Change), even made it to number one. The books, in which the author tells the life stories of four women from Hamburg over almost a century, captivated readers above all by linking historical events with the personal fates of the women and their families.
Now the material is finding its way onto the stage for the first time: on 1 May 2025, the Ernst Deutsch Theatre in Hamburg premiered the version of ‘Töchter einer neuen Zeit’ dramatised and directed by Gil Mehmert in Germany’s largest private theatre. And it thrilled not only the premiere audience, but also the critics. What the twelve actors and actresses and the accompanying four musicians delivered during the two-and-a-half-hour performance was rightly described by the audience as ‘great cinema’.
Actresses carry the scenery onto the stage at the beginning of the play
It is a firework display of ideas and a remarkable performance by the entire ensemble that keeps the audience spellbound. Added to this is a sparse yet mobile stage design with few sets, which are carried or pushed by the actors to the respective locations for more than a hundred different scenes. Scene changes every minute, as well as costume and mask changes, give the audience the impression that a film is being shown ‘live’ on stage in front of them. Actors are used as clothes racks, luggage racks, curtain rails or to hold sinks in a hospital. And all this was rehearsed in just ten days on stage.
Ida and Käthe (right) meet
The novel and the play
Hamburg in 1919 – Nurse Henny, her friend Käthe, doctor Ida and teacher Lina represent a new, courageous generation of women after the end of the First World War. They experience the dawn of a new era with the Weimar Republic, the rise to power of the National Socialists and the Second World War – with its omnipresent threat and destruction and personal losses. The trilogy skilfully combines historical events with personal destinies from a female perspective, which also explains its success with female readers.
The SA storms a meeting of Nazi opponents, who flee
Stage version with confusion
The stage adaptation of the first novel in the trilogy fascinates and captivates the audience, but occasionally also leads to confusion. Gil Mehmert’s artfully woven sequence of several hundred scenes at an incredibly fast pace and sometimes (what feels like) only a few seconds in length, combined with flashbacks, can lead to confusion and (as in my case!) occasional loss of orientation and breathlessness if you are unfamiliar with the novel. In the end, however, this no longer matters, because Mehmert’s portrayal of the ‘daughters of a new era’ gets the adrenaline pumping, as audience members confirmed after the long, sustained final applause. A play that deserves to be seen twice.
Please note: Details about the cast of the play can be found on the Ernst Deutsch Theater website.
Performances until 1 June 2025