Vor 50 Jahren war es noch bitterer Ernst. Zumindest taten die mächtigen, halbnackten Männer im Ring alles, um diesen Eindruck zu erwecken. Da fliegt ein “Zwei-Zentner-Mann” durch die Luft und kracht, laut schreiend, auf den Ring-Boden. Doch der Mann, der dem scheinbar hilflosen Verletzten zu Hilfe eilt, wird selbst aus dem Ring geworfen. Schnurstracks erhebt sich der zuvor ausgezählte Ringer wieder, nimmt den triumphierenden Gegner in den Clinch (oder den Schwitzkasten), dreht ihm den Arm um. Der wiederum verdreht die Augen, schreit auf und stampft mit dem Fuß laut auf den Boden um “Aufgabe” zu signalisieren. Natürlich greift der Kampfrichter nicht ein. Denn wer am Ende diesen Kampf gewinnt, ist ja längst vor Beginn der ersten Runde abgemacht! Im sogenannten Catchen, dem heutigen Wrestling, zählen die üblichen Regeln des Kampfsports nicht.
Die hier gezeigten SW-Fotos entstanden 1976 bei einem sogenannten Catch-Turnier in Kiel. Ich hatte in der Stadt an der Förde einige Monate zuvor meinen ersten Job als Korrepondent angetreten. Sport gehörte nicht zu meinen Aufgaben. Dafür war das die Landespolitik, die ja oft eine gewisse Ähnlichkeit mit Wrestling nicht verleugnen kann. Aber Catchen ist ja auch nicht wirklich Sport, und so nahm ich meine Nikon und meinen Presseausweis, um die als blendende Schauspieler bekannten und gut eingeölten Kampfmaschinen – überwiegend aus Fernost und Zentralasien – persönlich in Aktion zu beobachten und zu fotografieren. Freundlicherweise durfte ich ganz dicht am Ring stehen. “Auf eigene Gefahr”, wie es hieß. Und tatsächlich flogen während der knapp zweistündigen Show immer wieder mal die Männer durch, oder sogar aus dem Ring. Erstaunlich, dass sich keiner von ihnen dabei wirklich verletzte.
Auch das Publikum amüsierte sich. Jeder, der zum Catchen/Wrestling geht, weiß ja, dass die Schmerzensschreie, die verzerrten Gesichter, das laute Jammern und die empörten Schläge der Revanche für eine vorausgehende Misshandlung durch den furchterregenden Gegner nur brilliant gespielt sind. Und so störte es niemanden, als zum Abschluss des Turniers auch Frauen in den Ring stiegen. Nicht ganz so groß, wie die männlichen Muskelprotze, aber sicher ebenso breit. Auch sie schenkten sich nichts, auch wenn sie vielleicht nicht ganz so heftig versuchten, der jeweiligen Gegnerin den Hals umzudrehen. Immerhin flog am Ende auch eine dieser Catcher:Innen aus dem Ring. Und das Publikum johlte! Leider sind diese Bilder im Lauf der 50 Jahre verloren gegangen.