Der Zauber des Zufalls

Im Jahr 1979 folgte auch ich dem Ruf der Werbung. Ich leistete mir nach kurzem aber sehr heftigem Zögern eine Polaroid-Sofortbild Kamera vom Typ SX-70, von der Fachreporter in den renommierten deutschen Fotomagazinen wahre Wunderdinge erzählten. Wie viele andere war ich begeistert von der Idee, künftig selbst miterleben zu dürfen, wie sich vor meinen Augen meine fotografischen Ideen zu einem kleinen Kunstwerk entwickeln würden. Schließlich hatte die Werbung versprochen, „unwiederbringliche Momente“ mit dieser Kamera festhalten und diese kurze Zeit danach später in schönsten Farben im quadratischen Bildformat in der Hand halten zu können. Wenn selbst große Fotografen wie Ansel Adams oder der berühmte Pop-Art Künstler Andy Warhol oder Filmregisseure wie Wim Wenders diese Klapp-Kameras benutzten, so dachte ich, könne man doch eigentlich nichts falsch machen.

Mit der SX-70 kaufte ich erst einmal zwei Packungen Sofortbild-Film (der 10er-Pack kostete etwa 10 D-Mark) und drückte gleich ein paar Mal auf den Auslöser. Was für ein Gefühl, als das Bild vom Transportmechanismus der Kamera mit lautem Sirren ausgespuckt wurde. Langsam erschien das 8×8 Zentimeter kleine Bild vor meinen Augen. Doch die Realität strafte die Werbung Lügen.

Ziemlich schnell hatte ich den Gegenwert dieser Kamera (ca. 350 Mark) in die Sofortfilme investiert, denn die Kamera war letztlich wie ein Glücksspielautomat. Am Ende lag die Erfolgsrate kaum über 20 Prozent. Fehlbelichtungen und die wechselhafte Farbwiedergabe machten den Erfolg zum Zufall. Und so blieb meine SX-70 bei Fotoreisen bald zuhause. Die 40 gelungenen Bilder, die ich schließlich aufhob, stecken allerdings noch immer in meinem Polaroid-Album. Denn die Farben dieser Sofortbilder sind zwar oft falsch, aber auch nach fast 50 Jahren noch nicht verblasst. Und die Kunststoff-Oberfläche ist nicht verkratzt. Letztlich haben die Ergebnisse für mich ihren eigenen Charakter. Den Zauber des Zufalls.

Die Unberechenbarkeit des Zufalls

Edwin H. Land war ein ehrgeiziger Tüftler. Als er 1947 seine erste „Land Camera“ vorführte, war dies der erste Schritt zur Verwirklichung seines Traums: Die Geburt einer „Sofortbild-Kamera“, die mit Hilfe eines neuen „Films“ in Minuten ein belichtetes Negativ an Ort und Stelle auf ein Positiv übertragen konnte.
In den folgenden Jahrzehnten erlebte Land mit seinen Entwicklungen und seiner Firma Polaroid wissenschaftliche und finanzielle Höhen und Tiefen.
In den 1970er und 1980er Jahren erreichte die Kreativität des Erfinders mit der Vorstellung der faltbaren SX-70 ihren kommerziellen Höhepunkt. Die einfach zu bedienenden Kameras, die nach jeder Auslösung ein Bild ausspuckten, das sich in kurzer Zeit vor den Augen des Fotografen zu einem ca. 8×8 Zentimeter großen Farbbild entwickelte, wurden rasch zum Objekt der Begierde zahlreicher ambitionierter Hobby- und Berufsfotografen.

Die Bildchen, die hier vor den Augen des Fotografen entstanden, zauberten ein verklärtes Lächeln auf die Gesichter von Modellen und Fotografen. Es war nicht zuletzt das quadratische Bild auf einem rechteckigen, weißen Karton, das nun nicht mehr mühsam mit den Fingern in Positiv und Negativ getrennt werden musste. Die Positiv-Entwicklung verlief im Bild selbst, und das fertige Bild galt als dauerhaft lichtecht.

Die Nachfrage nach den kultigen Sofortbild-Kameras (rund 350 D-Mark) die 1974 nach Europa kam, stieg schnell. Land’s Firma entwickelte in desen Jahren Zahlreiche Spezialfilme und passende Kameras, auch für den wissenschaftlichen und technischen Bereich sowie hochwertige Großformatkameras für Sofortbilder im Format 50×60 Zentimeter.

Doch mit den Jahren ließ das Interesse an den klobigen Polaroids beständig nach, auch wenn Land die Bildqualität stetig weiter verbesserten. Schließlich läutete die Geburt der Digitalkameras mit ihren „Sofortbildern“ auf LCD-Monitoren Mitte der 1990er Jahre das Totenglöckchen für die Polas. 2001 meldete Polaroid erstmals Insolvenz an. 2008 folgte die zweite. Der damalige Geschäftsführer Tom Petters wurde 2010 wegen Betrugs mit einem Schaden von 3,5 Milliarden US-Dollar zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt.


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